Das Ziel: Infektionskette durchbrechen, Einschränkungen für Land- und Forstwirtschaft möglichst schnell lockern
Vor einem Jahr trat im Landkreis Ludwigslust-Parchim der erste Fall Afrikanischer Schweinepest auf – bislang wurden 47 infizierte Wildschweine festgestellt. Dank schnellen und konsequenten Handels aller Beteiligten verläuft die Ausbreitung der Tierseuche langsamer als erwartet. Das gibt Anlass zur Hoffnung. Jetzt ist besonders die Jägerschaft gefordert.
Auf den Tag genau ein Jahr ist es heute her, dass der erste Fall von Afrikanischer Schweinepest (ASP) im Landkreis Ludwigslust-Parchim amtlich bestätigt wurde. „Das war ein in den Ruhner Bergen südlich der Autobahn 24 tot aufgefundener Frischling“, erinnert sich Dr. Olav Henschel, Amtstierarzt und Leiter des zuständigen Fachdienstes Veterinär- und Lebensmittelüberwachung beim Landkreis. Jäger hatten das verendete Tier tags zuvor in einer Suhle entdeckt und eine Probe des Kadavers zur Untersuchung ins Landeslabor gesandt. „Das war Glück im Unglück“, sagt Dr. Henschel.
Denn in Mecklenburg-Vorpommern gibt es schon seit mehreren Jahren ein Untersuchungsprogramm für Indikatortiere – Totfunde, Unfallwild und krank angesprochenes Wild. Einige hundert Proben hat die Jägerschaft im Landkreis Ludwigslust-Parchim pro Jahr auf diesem Wege zur Untersuchung gegeben. „Und genau durch dieses Programm wurde unser erster Fund entdeckt“, so Dr. Henschel. „Wir gehen davon aus, dass das Infektionsgeschehen damals gerade erst begonnen hatte. Auch deshalb haben die Maßnahmen nach bisheriger Kenntnis vergleichsweise gut funktioniert.“
Vergleichsweise gut heißt: Bislang wurde das ASP-Virus in „nur“ 47 Fällen in dem rund 19.000 Hektar großen Kerngebiet nachgewiesen, 46 davon südlich der A24. „Wir waren zu Beginn von einer deutlich dynamischeren Infektionsausbreitung ausgegangen“, sagt Dr. Henschel. Dass es nicht so kam, ist nach Einschätzung des Amtstierarztes auch dem schnellen Bau zunächst eines Elektrozauns und später eines Festzauns geschuldet – Gesamtlänge 135 Kilometer. Nachdem es zunächst gelungen war, die Wildschweine mittels Fütterung im Kerngebiet zu halten, erwiesen sich die Zäune als wichtiges Instrument.
Einhergehend mit der Einzäunung erfolgte eine intensive Suche nach lebenden und toten Tieren und nach Kadaverresten, anfangs auch aus der Luft, mit Wärmebildkameras vom Hubschrauber aus und mit Hilfe von Drohnen. Nicht weniger aufwendig war und ist die Nachsuche am Boden. An sieben Tagen die Woche sind zwei bis maximal 20 Hundegespanne im Einsatz, bislang sind so mehr als 1700 Suchtage zusammengekommen. Nach jedem Einsatz erfolgt immer die Reinigung und Desinfektion von Hunden, Schuhwerk und Fahrzeugen, damit das ASP-Virus nicht auf diesem Wege weitergetragen wird. Am letzten Einsatztag – Hunde schaffen maximal drei Tage in Folge – werden ordnungsgemäße Reinigung und Desinfektion der Tiere durch einen Amtstierarzt vor Ort per Attest bestätigt.
Zusätzlich zur Hundesuche kamen bis April noch 57 Einsatztage für eine Menschenkette mit durchschnittlich acht bis zehn Personen. Innerhalb der Kreisverwaltung werden weiterhin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Unterstützung abgestellt, aktuell sind 20 Personen tageweise in den Bergeteams im Einsatz. Sechs Neueinstellungen erfolgten im Fachdienst Veterinär- und Lebensmittelüberwachung, um die enormen Herausforderungen der ASP-Lage zu meistern.
Große Hilfe kommt auch von extern: vom Landwirtschaftsministerium in Schwerin, von der Landesforst, vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei, von der Jägerschaft, von Ehrenamtlichen, den freiwilligen Feuerwehren, anfangs auch von der Bundeswehr... Die Bewertung der Lage und die Koordinierung der Einsätze erfolgen im ASP-Stab innerhalb der Kreisverwaltung. Es bleibt für alle Beteiligten eine Mammutaufgabe.
Immer wieder entdecken die Trupps bei ihren intensiven Suchen Knochen und andere Kadaverreste von Schwarzwild. Im gesamten Gebiet gab es bislang mehr als 240 Funde mit negativem Ergebnis oder die nicht mehr untersuchungsfähig waren. Doch eben diese Fallwild-Nachsuche ist immens wichtig, sagt Fachdienstleiter Dr. Henschel, damit infizierte Materialien überhaupt entdeckt und dann auch entfernt werden können: „Durch die lange Überlebenszeit des ASP-Virus in der Umwelt kommt es zu Neuinfektionen. Diese Erfahrung wurde anderenorts schon gemacht.“
Und es wird nun eine intensive Bejagung des dort noch vorhandenen Schwarzwildes erfolgen. Ziel ist die Verringerung der Schwarzwilddichte, damit die Infektionskette unterbrochen wird. Ohne deutliche Reduzierung der Wildschweinpopulation wird die ASP nicht zu stoppen sein, sind sich die Fachleute sicher. „Andernfalls wird die ASP noch über Jahre im Landkreis Ludwigslust-Parchim aktiv sein und die entsprechenden Einschränkungen und Schäden verursachen“, sagt Dr. Henschel.
Aufschluss über den aktuellen Schwarzwild-Bestand und den Aufenthaltsort im Kerngebiet hat im Oktober ein zweiwöchiges Monitoring mit Drohnen geliefert. Insgesamt wurden mit Hilfe der Beobachtung aus der Luft 476 Tiere festgestellt, 250 davon im Bereich nördlich der A 24. Die Jagdausübungsberechtigten der betroffenen Reviere sowie angrenzende Reviere wurden benachrichtigt. Insbesondere bei größeren Rottenverbänden werden Drückjagden unter Beteiligung der Nachbarreviere organisiert. Daneben werden weiterhin Einzeljagden zur Bestandsreduzierung durchgeführt. Jetzt kommt es mehr denn je auf die Jägerschaft an. Das haben am Freitag der Präsident des Landesjagdverbandes Thomas Niessen und Landrat Stefan Sternberg bei einem Termin vor Ort zum Ausdruck gebracht.
Nahziel aus Sicht des Landkreises ist die Verkleinerung des Restriktionsgebietes nördlich der A24 mit bislang nur einem bestätigten ASP-Fall. Denn die Einschränkungen für Landwirtschaft, Forst, Jagd und Tourismus sind belastend. Auch für den Landkreis ist der Aufwand in der Bewirtschaftung durch intensive Fallwildsuchen, Zaunkontrollen, Attestierungen, Ausnahmegenehmigungen und weitere behördliche Erfordernisse sehr hoch. Zudem muss der Landkreis fortlaufende Schäden ausgleichen. „In dem Gebiet nördlich der A24 haben wir nur diesen einen bestätigten ASP-Fall gehabt. Das war im November vergangenen Jahres, das Tier kollidierte mit einem Auto und verendete. Folglich“, so Dr. Henschel, „halten wir die Aufrechterhaltung von Einschränkungen in diesem Bereich nicht mehr für gerechtfertigt.“
Mehr Informationen zum Thema unter www.kreis-lup.de/asp